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Valeria JanaundAugust

Eine Traubenkirsche, Wladimir Wyssotzki und das Lied von der Birke

27. Mai 2020
By Jana
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So könnte auch die Recherche für einen verzwickten Roman anfangen. Man hangelt sich von einem zum nächsten und findet immer mehr interessante Querverbindungen. Doch der Reihe nach. Am Anfang der kleinen Geschichte steht eine Traubenkirsche, besser ein prächtiges Ensemble dieser Sorte. Steht auf unserem Grundstück. Blüht schön, ist ökologisch wertvoll. Wird im englischen nicht ohne Grund auch Vogelkirsche (und Maibaum) genannt. Trotzdem wird sie umgenietet (werden). Dazu später, erst schwelgen wir hier im Bedauern und kommen zum Romanstricken zurück.

Die Vogelkirsche führt uns nach Russland, heißt auf russisch ‚Tscherjomucha‘. Hat allerlei Bedeutungen, darunter eine Bauernregel für einen plötzlichen Kälteeinbruch im Frühjahr (die sog. Traubenkirschenkälte) bis zur an ein Brautkleid erinnernede Blütenpracht. Konsequenterweise wurde der Baum von Dichtern und anderen Künstlern gestalterisch verarbeitet. Ich möchte an dieser Stelle nur zwei hervorheben, da sie in direktem Zusammenhang stehen und uns auch wieder zum Grundstück zurückführen werden. Wie gesagt, Dan Brown ist nix gegen die hier presentierten zufälligen (?!) Verquickungen.

Der eine Künstler ist Barde, kein geringerer als Wladimir Wyssotki. Eines seiner ROMANtischsten Lieder ist das lyrische. (Лирическая). Hinein hören kann man hier.

Лирическая

здесь лапы у елей дрожат на весу,
здесь птицы щебечут тревожно –
живешь в заколдованном диком лесу,
откуда уйти невозможно.

Пусть черемухи сохнут бельем на ветру,
пусть дождем опадают сирени, –
всё равно я отсюда тебя заберу
во дворец, где играют свирели!

Твой мир колдунами на тысячи лет
укрыт от меня и от света, –
и думаешь ты, что прекраснее нет,
чем лес заколдованный этот.

Пусть на листьях не будет росы поутру,
пусть луна с небом пасмурным в ссоре, –
всё равно я отсюда тебя заберу
в светлый терем с балконом на море!

В какой день недели, в котором часу
ты выйдешь ко мне осторожно,
когда я тебя на руках унесу
туда, где найти невозможно?

Украду, если кража тебе по душе, –
зря ли я столько сил разбазарил?!
Соглашайся хотя бы на рай в шалаше,
если терем с дворцом кто-то занял!

© Владимир Высоцкий. Текст, музыка, 1970

Hier mein bescheidener Versuch einer Übersetzung – ich hoffe, die harte Schule von Cottbus und Rostock wirkt noch nach.

Lyrisches Lied

Dort zittern Fichtenzweige im Wind
dort zwitschern die Vögel aufgeregt
Da wohnt man im dichten Zauberwald
Der Weg hinaus ist verschwunden.

Lass die Traubenkirsche wie Wäsche im Wind wehen
Lass den Regen auf den Flieder fallen, –
so oder so, nehme ich dich mit
in den Palast, wo die Flöten musizieren.

Deine Welt ist auf tausend Jahre verzaubert
verborgen vor mir und der Welt,
und du weisst, es gibt nichts schöneres,
als den verzauberten Wald.

Auch wenn Morgentau fehlt und von Unheil kündet
Auch wenn Mond und Wolken im Streite liegen
so oder so, nehme ich dich mit
ins edle Schloss mit Balkon zum Meer!

An einem Wochentag und zu einer Stunde,
kommst Du unbemerkt zu mir
Dann, trage ich Dich auf den Händen,
Dorthin, wo man uns nicht findet.

Ich stehle Dich auch, wenn Du willst.
Warum auch die Energie verschwenden?
Schlag auch ein auf den Himmel mit Hütte,
falls Schloss und Balkon schon besetzt.

Hübsch nicht? Doch was hat das nun mit dem anderen Dichter und dem Grundstück in Fjordnorwegen zu tun? Nun, der andere Künstler ist ein russich-jüdischer Dichter namens Nikolai Ibrahimov. Der hat von 1778-1818 in Kazan gelebt. Seine Gedichte waren beliebt, wurden gesungen und wurden zu geflügelten Redewendungen. Eines seiner Lieder kennt fast jeder, der hörenden Ohres durch die DDR-Schulausbildung gekommen ist. Das Lied vom Birkenbäumchen (Stand ein Birkenbaum am grünen Raine …). Ein Chor aus Eberswalde singt eine sehr schöne, anspruchsvolle Version hier. Nikolai Ibrahimov hat jedenfalls eine Redewendung im Russischen verankert, die wiederum Wyssotzki in den letzten beiden Zeilen aufgegriffen hat. Nikolai sagt in einem seiner Gedichte nämlich: ‚Such mich nicht, Reicher: Du tust meiner Seele nicht gut. Was soll ich denn mit deiner Kammer? Als ob es den Himmel mit Hütte gäbe!‘. (Original: Не ищи меня, богатый: Ты не мил моей душе. Что мне, что твои палаты? С милым рай и в шалаше!). In die volksliedhafte Version kann auch auch gern reinhören.

Die Wege zum Grundstück und uns kreuzen nun über viele Verbindungen: Traubenkirsche (OK, sie wird umgenietet), das Lied von W.W., das zu meinem Standardrepertoire auf der Gitarre gehört, das kleine Haus das wir bauen, anstelle eines üblichen Palastes, …

Und hier nun der eigentliche Held der Geschichte:

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