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Valeria JanaundAugust

Unterwegs mit dem Häuptling des Südwestens

24. April 2012
By Kosmonaut
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„Entspannen Sie sich, lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sie Loks für sich arbeiten (let the rails do the work)“. Die Begrüssungsdurchsage des Zugchefs passt zur frohen Erwartung, mit der wir unsere Reise an Bord des Southwest Chiefs von Chicago nach Barstow in Kalifornien beginnen. Der Zug wird immerhin acht Bundesstaaten – Illinois, Iowa, Missouri, Kansas, Colorado, New Mexiko, Arizona und Kalifornien – durchqueren und für die mehr als 3600 km rund 36 Stunden brauchen. Zwei Loks ziehen dabei einige Schlaf- und Abteilwagen, den Speisewagen, einen Gepäckwagen und den vollverglasten Aussichtswagen. Mit ihren jeweils 800 kW sind sie jedoch Leichtgewichte verglichen mit den Frachtschiffen. Der Aussichtswagen wäre eine echte Bereicherung für deutsche Züge. Man sitzt längs zu den Fenstern und hat so einen grandiosen Blick auf die vorbeiziehende Landschaft.

Gleich in der Begrüßungsansage bekommen wir einige amerikanische Besonderheiten mit. Wir fahren an einem Sonntag im Bundesstaat Illinois ab und dort ist der Kauf und öffentliche Konsum von Alkohol am Sonntag verboten. So dass nur die Schlafwagenpassagiere in ihren privaten Kabinen sich ein Gläschen genehmigen dürfen. Auch im Cafewagen gibt es vorerst kein Bier zu kaufen, aber der Cafe-Mitarbeiter weist gleich darauf hin, dass ja nach 3 Stunden der Mississippi kommt und damit die Staatsgrenze nach Iowa und einige leckere Biere im Angebot sind. Wir lassen uns verleiten und teilen uns dann abends eine Flasche Corona. Als wir dann am späten Abend nach Missouri wechseln, ändern sich die Gesetze nochmals und wird sind wieder beim Alkoholverbot. Inzwischen ist der Hinweis auf das Rauchverbot Usus – nur an speziellen Bahnhöfen mit etwas längeren Halten kann auf den Bahnsteig geraucht werden. Was uns zum Schmuzeln bringt, ist der Hinweis: „No shoes, no service“. Offensichlich kommt es häufig vor, dass Reisende mit Socken oder barfuß im Zug unterwegs sind. Eine weitere wichtige Information sind natürlich die Regularien zur Zeitumstellung. Wir starten mit der Central time in Chicago, fahren am nächsten Tag größtenteils in der Mountaintime, und enden in Kalifornien in der Pacific time. Mit der Besonderheit, das wir faktisch schon in Arizona die gleiche Zeit wie in Kalifornien haben werden, da der Bundesstaat sich aus der Sommerzeitregelung ausgeklinkt hat.

Für Unterhaltung an Bord ist gesorgt. Neben den Gesprächen mit Mitreisenden gibt es viele Durchsagen. Mehrfach wird man auf den Frühstücks-, Mittagessen-und Abendbrot-Service hingewiesen. Wobei Abendbrot nur auf Reservierung möglich ist und dazu ein Mitarbieter durch den Zug läuft, um Termine zu vereinbaren. Besonders häufig sind die Durchsagen des Cafe-Stewards. Er würzt jede Ansage mit Ironie: ‚Ich kann es selbst kaum glauben, aber das Cafe ist heute bereits seit 5.30 Uhr geöffnet‘ oder ‚Beachten Sie, dass wir in eine neue Zeitzone kommen. Wenn ihr Handy das nicht von alleine merkt, sollten sie vielleicht den Anbieter wechseln‘, ‚Albuquerque ist noch 40 Minuten entfernt, aber ich dachte, ich kündige das jetzt schon mal an, dann können Sie Ihren Tag besser planen.‘, ‚Aufgrund von Umständen, für die ich nichts kann, ist das Cafe jetzt wieder geöffnet.‘ Und bei einem Ort in der Pampa mit berühmten Namensvetter nennt er die zwei Sehenswürdigkeiten, eine Kirche und ein Hotel, und hängt dann an: ‚Nun wissen Sie alles über Las Vegas, NM, was ich auch weiss.‘

Die Landschaft wandelt sich fast stündlich. Das liegt auch daran, dass wir den größten Teil des mittleren Westens in der Nacht durchqueren, so dass uns die Maisfelder erspart bleiben. Ein Höhepunkt am ersten Abend ist die Überquerung des Mississippi. Schon hier ist der ‚Old Man River‘ ein breiter Strom, obwohl wir weit oberhalb des Zuflusses von Missouri, Arkansas und Ohio sind. Auf einer langen Brücke rattert unser Zug über das Wasser und man denkt unweigerlich an Tom Sawyer und an Schaufelraddampfer. Am nächsten Tag erahnen wir schon die Nähe der Rocky Mountains, schneebedeckt zeichnen sich die mehr als 4000 m hohen Gipfel am Horizont ab. Die Gegend wird zunehmend karger. Waren es vorher noch Kühe auf den weiten Graslandschaften von Kansas – wir haben sogar einen klassischen Cowboy gesehen – sieht man nun tief eingeschnittene, aber ausgetrockene Flussläufe. Der Zug klettert langsam eine gigantische Hochebene herauf. Immerhin müssen wir bis zum 7588 Fuss hohen Raton-Tunnel. Die Loks haben gut zu tun, um diesen Anstieg zu bewältigen und statt der maximal möglichen 145 km/h fahren wir oft im Schritttempo. Noch gibt es Pappel und Kiefernbüsche. Unser Cafe-Steward hält uns über Chancen, Rehe, Füchse oder gar Bären zu sehen, auf dem Laufenden.

Ist man einmal durch den Tunnel, wird die Landschaft wüstenartig und man kann die ein oder andere Antilope erspähen. Das Örtchen Raton begrüsst uns passenderweise mit einem Bahnhof in Pueblo-Architektur. Winter wie Sommers erwacht das Örtchen aus seinem Dornrösschen-Schlaf. Im Winter sind es die Ski-Fahrer, im Sommer überfluten tausende junger Pfadfinder aus den USA den Ort. Sehenswert sind die alten Gebäude gleich hinter dem Bahnhof, etwa das ‚Golden rule and New York store‘. Die Bahnstrecke war Weg für Händler und Siedler und schon vor der Bahn als Santa Fe-Route viel bereist. Tradionellen Gefahren wie Durst und Klapperschlangen ist der moderne Reisende nicht mehr ausgesetzt.

Das Land ringsherum ist Komanchen- und Apachengebiet. Heute fällt das vom Zug besonders an zwei Dingen auf: Einerseits nimmt die Zahl an Andenkenläden längs der Strecke zu, andererseits sieht man häufig Kasinos. Insbesondere in der Umgebung von Albuquerque. Die Indianerreservate sind in den USA rechtlich so eigenständig wie die Bundesstaaten und so ist in vielen das Glücksspiel erlaubt, während es in der Umgebung verboten ist. Gutes Geld für Winnetous Brüder.

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