Japan liegt nun wieder östlich von uns. Wir sind inzwischen auf der schönen Insel bzw. der Insel Formosa, wie die Portugiesen es seinerzeit 1583 ausdrückten. Unsere erste Station ist Taipei. Wir streifen durch diverse Gassen und Museen. Ein Thema, von dem wir zum ersten Mal hören, ist “Singende Insekten”. Wir meinen dabei nicht den Fakt, dass Insekten, etwa Grillen, singen. Nein, nein. Das kennen wir natürlich. Sogar inklusive Formel, denn je wärmer, desto höher die Frequenz, mit der männliche Grillen ihre Vorderflügel reiben. Man zähle für 25 Sekunden. Dann durch drei plus 4 – das ergibt die Temperatur in Grad Celsius. Klappt aber erst ab 23 Grad. Was wir neu entdecken ist, dass es eine ganze Kunstgeschichte hinter zirpenden Insekten gibt. Das folgende Bild hat damit zu tun. Es zeigt niemanden, der etwa seinen Pinsel in eine Schüssel mit Farben hält oder so. Nein, es handelt sich um ein Aufbewahrungsgefäß für Insekten und man ärgert das Insekt mit einer Art Stöckchen, damit es sich singend abreagiert.

Das nächste Bild zeigt einige dieser “Stimmgabeln” oder “Insektenkitzler”. Das Foto haben wir im Nationalmuseum in Taiwan aufgenommen, genauer gesagt in der aktuellen Ausstellung “Singende Insekten”. Die gezeigten Stücke gehören zum Nationalschatz und stammen aus der Zeit der Ming-Dynastie (ca. 15. Jahrhundert).

Das folgende Foto zeigt ein paar der Aufbewahrungsgefäße für die Sänger. Es gab sie in allen Formen und Materialien. Kleine Käfige oder Dosen aus Metall, geschnitzete Flaschenkürbisse, mit Perlmutt besetzte Holzkisten, selbst Resonatoren hat man eingebaut (siehe zweites Foto). Eines der Gefäße war gar mit einer Inschrift versehen: “Die Melodie kommt aus dem Wald”. Es handelt sich dabei um einen bildlichen Vergleich, der für einen edlen Charakter von unverrückbarer Integrität steht, was notwendige Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben sei. (Klar, man wurde ja mit anderem Charakter schwer älter).


Einer der Kaiser der Ming-Dynastie bekam sogar den Zweitnamen “Grillkaiser” oder “Himmelssohn der Grille” verliehen. Er soll von einem Verwaltungschef mal Grillen als Tribut gefordert haben. Das war zum Spass und ernst gemeint. Jedenfalls startete das damals einen Riesenrummel, der sich vom Singen auch noch auf das Wetten auf Grillenkämpfe ausdehnte. Etwas seltsam, weil gleichzeitig in Gedichten und auf Bildern die Anmut der Tiere und die Unvergleichlichkeit ihres Gesangs bewundert wurde.
Sehr inspirierend waren in der Ausstellung die zusammengetragenen Redewendungen und Fabeln. Hier mal ein paar, schon weil sie wieder stärker verbreitet werden sollten, um die darin befindlichen Weisheiten zu übermitteln:
Die Zikade und der Fuchs. Eines schönen Sommers zirpte eine Zikade auf einem großen Baum vor sich hin als ein hungriger Fuchs des Weges kam. “Hey, was für ein Sänger du bist! Komm doch runter und lass mich sehen, wer da so schön singen kann!”. Aber die Zikade war noch schlauer als der schlaue Fuchs und ließ nur ein Blatt hinuntersegeln. Der Fuchs schnappte zu und kaute enttäuscht auf dem Blatt herum. Verärgert hüpfte er und stieß sich auch noch den Kopf. “Hey, schlechter Kerl, spar dir den Mist. Der Schlag auf den Hinterkopf hilft dir auch nicht weiter. Ich bin schon auf der Wacht vor dir, seit ich Zikadenflügel auf Fuchskot gesehen habe.” Die Moral von der Geschicht? Misachte das Unglück des Nachbarn nicht, sei schlau, beobachte und mach nicht den gleichen Fehler. Andererseits ist der Mensch an sich – wie bereits zitiert – ein Vollidiot und nicht in der Lage zu lernen. Jedenfalls, wenn er/sie/es Teil der Herde ist.
Aber es geht noch aktueller: Es gibt eine Redewendung, die besagt, dass eine Zikade nix vom Schnee weiß. Diese Aussage ist ein No-brainer, also ein Ding, für das man noch nicht mal das Gehirn anwerfen muss. Eine Zikade stirbt ja, bevor es wintert. Die Redewendung soll nun besagen, dass sich mit lauten Wortmeldungen zurückhalten sollte, wer nur über oberflächliches Wissen verfügt. Dann man rein in Gottes (oder wenigsten Alices) Gehörgang!
2 responses to “Taiwan und die singenden Insekten”
Eine erstaunliche Geschichte. Wenn ich wieder Grillen bei uns höre, werde ich an diesen netten Bericht denken.
Wie immer sehr informativ und toll zu lesen. Ich freue mich schon auf das Nächste . Liebe Grüße