Anlässlich eines kürzlichen, unfassbaren Komplimentes (“Du bist doch auch ne Sportskanone, so wie du aussiehst …”) mal einen Artikel über Sport in Japan. Das erste, was man wissen muss: die beliebteste Sportart ist weder Karate noch Aikido noch Sumo-Ringen, noch eine der üblichen Verdächtigen, sondern Baseball! Es gibt eine Profi-Liga, Amateurspieler und auch einen zwischen Gymnasien ausgetragenen Wettkampf, der ungemein populär ist und im Fernsehen übertragen wird. Die Kinder von unseren Bekannten spielen alle irgendwann Baseball und natürlich ist man Fan. Fan von Japanern wie dem heute 80 jährigen Masanori Murakami, der der erste von bislang 71 Japanern war, die es in eine der Profi-Ligas in den USA geschafft haben. Aktuell sind es wohl 12. Man ist so stolz, dass die Sportnachrichten mit Sportnachrichten aus den USA beginnen.

Ich vermute, ich kann August als Fan der Hanshin-Tigers (Hanshin Taigāsu) bezeichnen. Es ist einer der ältesten Klubs. Er besteht seit 1935 und ist in Kansai zu Hause, auf halben Weg zwischen Osaka und Kobe. Da wir sozusagen Kansai wie die Westentasche kennen, kennen wir uns auch ein wenig mit den Hanshin Tigers aus. Es gibt da den berühmtberüchtigten Fluch des Oberst Sanders (Gründer von Kentucky Fried Chicken). Fans glaubten, die Tigers würden verflucht sein, bis man endlich die Steinstatue besagten Schnellessunternehmers wieder aus dem Fluss in Osaka fischen würde. Jedenfalls war das die geläufige Erklärung, dass sie einfach keine Sieg mehr nach Hause brachten. Das war allerdings schwierig, da die Statue nicht lokalisiert werden konnte.

Erst im März 2009 entdeckten Taucher sie bei Bauarbeiten im Kanal. Die Fans waren außer Rand und Band und die Bergung wurde ein Riesenmedienspektakel. Ein Bauarbeiter sagte sogar im Interview, es habe sich eher so angefühlt, als würde er eine Person retten. Aber das ist noch nicht alles. Aus einem unerfindlichen Grund ist man außerdem davon überzeugt, dass die japanische Ökonomie wächst, wenn die Hanshin Tigers gewinnen. Der Sieg 2003 sollte laut dem damaligen Finanzminister sogar die japanische Ökonomie wieder ankurbeln und die Bubble-Wirtschaft der 90er überwinden. Entsprechend fieberten selbst Politiker mit. Die Fans sind da aber zusätzlich noch etwas rationaler rangegangen und haben einen Schrein besucht. Witzigerweise siegten die Tigers übrigens in diesem Jahr, nun kann es also wieder bergauf gehen. Tigerwirtschaft eben.

Diesen Schrein haben wir nun kürzlich besucht. Er liegt passenderweise in dem Ort Torahima (Tigerprinzessin). Es ist der einzige Ort in ganz Japan, in dem das Wort Tiger vorkommt, obwohl man ja prinzipiell Tiger-vernarrt ist. Gleich am Bahnhof in Torahime ist der Hanshin-Tiger-Schrein, an dem die Fans sich sicherheitshalber noch göttlichen Beistand holen. Amen, nicht sportfrei, ist das gewinnbringende Motto. Ansonsten hilft natürlich eine zünftige Hymne. Sie heißt Lied vom Berg Rokko. Hört hier mal rein.

Sport erstreckt sich ja mittlerweile auch auf E-Sport. Das ist eine große Sache in Japan, denn man liebt allerlei Spiele. Von Computerspielen bis Dance Dance Revolution ist jeder Spass dabei. Allerdings hatten wir noch nie ein E-Sport-Stadion gesehen. Das war ziemlich witzig, zumal die Athleten mit Schlips und Kragen ihrem Business nachgehen. Mit allem Ernst wohl bemerkt. Inzwischen sieht man das in Japan auch als gute Möglichkeit und verdammt E-Sport nicht mehr als Glücksspiel. Da Japan altert, will man gern die Senioren für E-Sport begeistern. Man kann sich bewegen, sogar Musik machen, und mit anderen zusammen sein. Seit 2021 gibt es sogar ein erstes professionalles Senioren-E-Sport-Team namens Heckenschützen von Matagi. Es hat 10 Mitglieder im Alter von 64 bis 76 Jahren. Wie der Name schon sagt, konzentrieren sich die Spieler auf Schießspiele, wie sie in einer Pressekonferenz verkündeten. Sie halten sich nicht nur am Computer gemeinsam fit, sondern bei Sport und Ausflügen. Ansonsten ist alles professionell aufgezogen – mit Sponsoring, Merchandize und 1-stündiger Doku. Einen Eindruck gibt die Webseite.